Dialog mit meinem Gärtner
Bildung und Herkunft der beiden Männer Mitte 50 könnten nicht unterschiedlicher sein. Während der weltgewandte Künstler ein Genussmensch und Lebemann ist, der in seinem Haus auch von einem jungen Modell (Alexia Barlier) besucht wird, führt der Gärtner ein unaufgeregtes, aber zufriedenes Leben an der Seite seiner Gattin (Hiam Abbass), von der er stets schlicht als „der Frau“ spricht.Der ausgebrannte Maler erkennt in dem stillen, ehemaligen Gleisarbeiter nach und nach einen handfesten Alltagsphilosophen, der ihm, dem weltgewandten, zynischen Städter, die Augen für die wesentlichen Dinge des Lebens öffnet. Als der Gärtner erkrankt, bringt ihn der Maler zu einem Spezialisten nach Paris. Dort erfahren sie jedoch, dass es für eine medizinische Behandlung zu spät ist. Auch diesen Schicksalsschlag trägt der Gärtner mit bewundernswerter Abgeklärtheit. Der „Pinselhuber“ zieht so viel Inspiration aus seiner Freundschaft zum „Gartenbauer“, dass sein Werk aufblüht wie ein Garten im Frühling.
Der Erfolgsfilm des 70-jährigen Regisseurs Jean Becker („Ein mörderischer Sommer“) ist ein anrührend inszeniertes Alterswerk über eine Männerfreundschaft, die soziale Schranken überwindet. Dank der großartigen Charakterschauspieler Daniel Auteuil („Caché – Versteckt“) und Jean-Pierre Darroussin („St. Jacques – Pilgern auf französisch“) werden stereotype Gefühlsduseleien gekonnt umgangen.So lässt der dialogstarke Film, der mit leichter Hand aus einfachen Alltagsdingen Sinn und Schönheit hervorzaubert, nicht nur Gartenfreunden das Herz höher schlagen. Wie geschickt der Übergang vom Konkreten zum Abstrakten inszeniert wird, zeigt sich auch, wenn der verkopfte Künstler sich in seiner Malerei von den beiläufigen Bemerkungen des vermeintlichen Kunstbanausen beeinflussen lässt – vor allem, wenn seine Arbeit unter freiem Himmel augenzwinkernd an die Wurzeln des Impressionismus erinnert.
(aus: 3 Sat Online; am 30.01.2014)